Die Burg – wohl eines der markantesten und eindruckvollsten Bauwerke des Mittelalters. Gleichzeitig ist sie auch das Bauwerk, welches heute am ehesten mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht wird. Daher überrascht es nicht, dass sie noch heute die Fantasie beflügelt und in allen Größen und Formen in der Literatur, im Film und auf Bildern zu finden ist. Dies gilt freilich nicht nur für unsere Zeit, sondern lässt sich bis in das frühe 19. Jahrhundert nachweisen. Doch was zeichnete eine mittelalterliche Burg wirklich aus? Wo treffen sich Fantasie und Wirklichkeit und was gehört wirklich in das Reich der Märchen und Legenden?

Befestigungswerke gab es nicht erst seit dem Mittelalter. Schon in der frühen Antike sind sie archäologisch und auf Abbildungen nachzuweisen. Schon die Sumerer bauten sie, und die Ägypter befestigten mit Burgen ihre Grenzen und Städte. Die Römer perfektionierten den Bau von Befestigungen und auch bei ihren Feinden, von den Kelten bis zu den Germanen, waren Kenntnisse hierzu vorhanden. Man sollte allerdings beachten, dass die Baukunst der Römer für den Raum des früheren Germaniens zunächst nicht als Vorlage diente. In diesem Bereich wurden die römischen Baukenntnisse erst im Hochmittelalter wiederentdeckt, vor allem durch Einflüsse aus dem Mittelmeerraum und aus Frankreich. Zu dieser Zeit wurden auch alte römische Anlagen in die Neubauten integriert.

Eine Neuentwicklung des Mittelalters war die sogenannte Adelsburg, also der befestigte Wohnsitz eines oder mehrerer Adligen und dessen Familie. Aber nicht alle Burgen waren in erster Linie auf die Verteidigung gegen eine Belagerung ausgerichtet. Viel wichtiger war die Repräsentation und die hiermit verbundene Sicherung des eigenen Status. Einige Burgen, wie eine Untersuchung in Frankreich und Großbritannien ergeben hat, waren aus wehrtechnischer Sicht sogar komplett ungeeignet für den Krieg. Auch konnte eine Burg an sich das Umland oder auch einen Pass nicht sichern. Für solche Aufgaben wurden spezielle Befestigungsanlagen errichtet, beispielsweise eine Passsperre. Diese Anlagen mussten dann aber auch über eine große Garnison verfügen. Diese besaßen die Adelsburgen in der Regel nicht. Meist ließ sich die Burgbesatzung an zwei Händen abzählen, meist noch durch Wachhunde und Gänse (die ja für ihre Aufmerksamkeit bekannt sind) unterstützt.

Dennoch fand man auf nahezu allen Burgen mehr oder weniger gut ausgestattete Waffenkammern für den Verteidigungsfall. Umliegende Höfe wurden häufig in das direkte Umfeld der Burg verlegt und befestigt. Hieraus entstanden dann Vorburgen. Die Burg selbst verfügte meist über eigene Wirtschaftsgebäude und eine Zisterne, dazu über einen Palas (Wohngebäude) und in manchen Fällen über einen Bergfried. Dieser befand sich meist auf der Seite, auf der die meisten Angriffe erwartet wurden. Mit der zunehmenden Durchschlagskraft von Belagerungswaffen ging man dazu über, zusätzlich auf dieser Seite eine sogenannte Schildmauer zu errichten (ab dem 14. Jhd.). Diese sollte Geschosse abfangen und war zu diesem Zweck besonders hoch und dick. Die Tore waren zunächst einfach gehalten und wurden mit Querbalken gesichert. Im späten Mittelalter wurden sie durch eiserne Schlösser, Beschläge und vor allem durch Hängebrücken, Fallgitter und Tortürme gesichert. Die Mauern verfügten idealerweise über mehrere Türme, aus denen der Fuß der Mauer beschossen werden konnte.

Die Architektur der Burg richtete sich sowohl nach dem Gelände als auch nach den Anforderungen. Okkupationsburgen, wie die Burgen der Normannen in England oder die Kreuzfahrerburgen, mussten vor allem eine große Garnison aufnehmen können und Angriffen großer Heere standhalten können. Die Adelsburgen, wie schon erwähnt, dienten der Rückversicherung und Repräsentation. Stadtburgen dienten vor allem als Verwaltungssitz in den Städten. Neben den unregelmäßigen Burgen finden sich aber auch rechteckig oder quadratisch angelegte Anlagen, der Kastelltyp. Eine Besonderheit stellt die Pfalz dar, die zeitweilige Residenz zur Zeit des Wanderkönigtums.

Viel wichtiger als als militärischer Stützpunkt war die Adelsburg aber als wirtschaftliches, soziales und administratives Zentrum der jeweiligen Region. Hier saß der Burgvogt oder Burggraf, der auch für die Verwaltung aller zur Burg gehörigen Güter zuständig war. Zudem waren viele Burgen auch Gerichtssitz und Gefängnis. In einigen Fällen gab es auch Burgen, die zur Lagerung von Gütern verwendet wurden. Die mittelalterliche Burg konnte also ganz unterschiedliche Aufgaben haben. Bei der Wirtschaft handelte es sich meistens um Naturalwirtschaft. Geld spielte nur in den Städten eine wichtige Rolle.

Die Adelsburgen verloren mit dem Ende des Mittelalters an Bedeutung. In allen oben genannten Punkten liefen ihnen die Städte, mit denen sich die Adligen schon lange in Konkurrenz befunden hatten, nun endgültig den Rang ab. Die Geldwirtschaft setzte sich endgültig duch. Die Burgen wurden nach und nach zu palastähnlichen Anlagen umfunktioniert und entwickelten sich nach und nach zu Schlössern. Die meisten Burgen wurden aber aufgegeben.

Viele der Burgen, die sich heute stolz erheben, stammen gar nicht aus dem Mittelalter. Ein Großteil dieser Bauwerke wurde im 19. Jahrhundert errichtet, als romantische Vorstellungen vom Mittelalter, der großen und strahlenden Zeit der Deutschen, vorherrschten und propagiert wurden, um die nationale Einheit vorranzutreiben. Der Besitz von alten Ruinen galt in dieser Zeit ebenfalls als „schick“. Die Originale sind rar geworden. Wer einmal den Bau einer Burg live verfolgen möchte, kann dies im französischen Guedelon tun. Hier wird eine Burg mit mittelalterlichen Bautechniken errichtet.

Sekundärliteratur:

Großmann, Ulrich G.: Burgen in Europa. Regensburg, 2005.

Piper, Otto: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte. Dritte Auflage München, 1912. Nachdruck. Köln, 2011.

Zeune, Joachim: Burgen. Symbole der Macht. Ein neues Bild der mittelalterlichen Burg. Regensburg, 1996.

Blog: http://dasmittelalter.wordpress.com/2012/08/27/die-mittelalterliche-burg/

 

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