Athen

Der berühmteste Gesetzgeber der Antike ist zweifellos Solon. Seine herkunft aus dem ehemaligen attischen Königshaus garantierte ihm eine wohlwollende Beachtung beim Adel, andererseits flößte sein Gerechtigkeitssinn dem Volk Vertrauen ein, so dass er einen idealen Schiedsrichter (asymeten) abgeben konnte. Tatsächlich versuchte er, über den Streitigkeiten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu stehen und die Polis selbst im Blick zu haben. Die Verhältnisse lagen im Argen, denn die Bauernschaft verarmte immer mehr und wurde in die Schuldknechtschaft geschrieben, ein Zustand, der sich mit der mittelalterlichen Leibeigenschaft vergleichen lässt.
Schon früher hatte es den Versuch gegeben, in Athen eine Tyrannis zu etablieren; der Usurpator hieß Kylon und bezog seine Autorität aus einem Sieg in Olympia als Läufer, zudem war er der Schwiegersohn des megarischen Tyrannen Theagenes. Doch konnte sein Staatsstreich abgewehrt werden.
Solons Reformen können hingegen als wenigstens teilweise gelungen gelten, wenngleich seine wichtigste Amtshandlung, der Schuldenerlass (seisachtheia), nur kurzfristige Wirkung zeigte; auf lange Frist setzte er immerhin den Zug Athens in Richtung Demokratie in Bewegung. Solon hatte vehement die ihm angetragene Tyrannis zurückgewiesen, der Vernunft und nicht der Macht wollte er vertrauen. Doch dieses Vertrauen ruhte auf tönernen Füßen: Tatsächlich brachen die Adelskämpfe nach seinem Abdanken wieder aus, die aristokratischen genoi teilten sich in drei Parteiungen: die Partei der Küstenbewohner unter der Führung des Megakles (paralioi), die Partei der Ebene (pediakoi), die von reichen Familien aus Eleusis angeführt wurden, und schließlich die des Berglands unter Peisistratos (diakrioi), dem späteren Tyrannen (Arist.Ath.Pol. 13.4). Der hatte sich in einem lokalen Krieg gegen Megara als Heerführer hervorgetan und dadurch Sympathien beim Volk erworben. Mit einem Trick wurde ihm sogar eine Leibwache zugesprochen: sich selbst hatte er eine Wunde beigebracht und dann behauptet, seine Gegner trachteten ihm nach dem Leben. Mit dieser Garde gelang ihm, die Akropolis zu besetzen und die Herrschaft über Athen zu erlangen. Zwar wurde er wenig später von seinen Rivalen vertrieben, doch schloss er mit einem seiner Gegner, Megakles, eine Allianz, ehelichte dessen Tochter, und kehrte – mit der Macht dieses Verbündeten – in großem Gepränge in die Hauptstadt zurück.
Doch auch dieses Mal hielt seine Herrschaft nicht allzu lange an: Megakles wechselte wieder zu seinen alten Verbündeten, gemeinsam schickten sie Peisistratos erneut ins Exil nach Eretria, wo er zehn Jahre ausharren musste. Doch er kam wieder mit einem Heer. Peisistratos‘ Truppen siegte, nahm die Stadt ein, und so begann 546 die dritte und eigentliche Periode der Tyrannis.
Peisistratos und seine Sohne Hippias und Hipparchos, die dem Vater 528 nachfolgten und deren genos man daher die Peisistraden nannte, umgaben sich weder mit besonderem Luxus noch frönten sie – bis auf eine entscheidende Ausnahme – willkürlichen Herrscherlaunen. Auch Herodot gibt an, dass die bestehenden Gesetze und Ämter immer beibehalten wurden (Hdt 1.59), und Aristoteles in seinem „Staat der Athener“ rühmt sie regelrecht und spricht von ihr als „goldenes Zeitalter“.
Alles in allem erzielte die Tyrannis der Peisistraden einen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung für die Stadt. Unter ihnen begann die attische Keramik zu blühen. Sie förderten die Landwirtschaft, insbesondere die kleineren Bauern, denen großzügig Kredite eingeräumt wurden, um deren Produktion auszuweiten (Arist.Ath.Pol. 16.2). Die Handelswege nach Athen wurden durch Hipparchos neu vermessen, verbessert und mit Meilensteinen versehen, den sogenannten Hermen. Ähnliche Errungenschaften können die Peisistraden in der Bautätigkeit vorweisen, welche die blühende Wirtschaftskraft mit steinernen Symbolen schmückte: nicht nur wurden unter Hippias die ersten Gmynasien und Rennbahnen errichtet, ein Tempel der Athene Polias stand bereits auf Akropolis seit der ersten Tyrannis des Peisistratos um 560; Aquädukte und Brunnenhäuser gehen vor allem auf das Konto der Söhne. Darüber hinaus entfaltete schon der Vater eine rege Tätigkeit auf kultischem Gebiet – offensichtlich wollte er Attika zu einem religiösen Zentrum formen. Und er kümmerte sich schon früh vor allem um eine Neuorganisation des Stadtfestes, der Panathenaien: ihre große Form wurde alle vier jahre abgehalten und hatte ähnliche Wettkämpfe zu bieten wie die vier panhellenischen Sportfeste. Auch die Großen Dionysien gehen auf das Konto der Peisistraden, und die Stiftung eines Wettbewerbs der Tragödiendichter – mithin der Geburt der Tragödie als Kunstform. Eine Bibliothek wurde eingerichtet, Dichter wie Anakreon, Ibykos und Simonides, d.h die Crème der griechischen Lyrik, nach Athen geholt.
Aber insbesondere unter der Herrschaft des Hippias, dem älteren der beiden Söhne, bröckelte die Zustimmung der Athener zu ihren Führern langsam ab. Auch Aristoteles gibt an, dass die Herrschaft unter den Söhnen des Peisistratos härter wurde (Arist.Ath.Pol. 16.7). Ihre Ende beginnt denn auch mit einer merkwürdigen Liebes- und Eifersuchtsgeschichte, die sowohl Thukydides als auch Aristoteles im Detail erzählen (allerdings leicht voneinander abweichend) – kein Wunder, wurden denn die Protagonisten Harmodias und Aristogeiton in der perikleischen Zeit als Volkshelden verehrt.
Hipparchos hatte versucht, die Freundschaft zwischen zwei Jünglingen aus Athen, Harmodius und Aristogeiton, zu splittern. Als ihm dies nicht gelang, setzte er Harmodius Schwester ungerechterweise öffentlicher Schande aus. Darauf beschlossen die Freunde, Hipparchos, sowie seinen Bruder Hippias umzubringen. Es gelang ihnen, Hipparchos zu erschlagen, doch Hippias konnte fliehen. Auch Harmodius wurde im Laufe des Attentats getötet, während Aristogeiton gefoltert und hingerichtet wurde.
So wurde zwar Hipparchos getötet, der den Anlass für die Angelegenheit gegeben hatte – hingegen blieb die Tyrannis bestehen: Harmodias fand auf der Stelle den Tod, Aristogeiton wurde später ergriffen, gefoltert und dann hingerichtet (Arist.Pol.Ath. 18.4). Nach diesem Anschlag verschärfte sich die Herrschaft des Hippias, wie Aristoteles und Thukydides übereinstimmend berichten, doch im 4. Jahr wurde der Tyrann von den Spartanern unter König Kleomenes abgesetzt und des Landes verwiesen.
 

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